Gesichter-des-Burnout

Ich beschäftige mich nun schon seit einiger Zeit intensiv mit dem Thema Burnout. In den letzten Jahren wurden ja wirklich viel darüber geschrieben. So viel, dass das Thema selbst eigentlich fast tot ist.

Trotzdem ist es überraschend, dass die Zahl der Burnoutfälle stetig am Steigen ist, auch wenn man versucht, die offiziellen Statistiken dadurch zu kaschieren, dass man nun halt „emotionale Erschöpfung“ oder „leichte Depression“ diagnostiziert, oder – wie ich es selber erlebt habe – in einer Firma beschliesst, Burnout als Krankheitsgrund inoffiziell zu verbieten und den Bonus daran zu koppeln.

Doch warum ist nach all den unzähligen Artikeln und Vorträgen das Thema nach wie vor so schwer begreifbar? Wieso wird Burnout nicht früher erkannt und etwas dagegen unternommen?

Um das zu verstehen, betrachten wir die ganze Situation mal aus einer ganz speziellen Perspektive: aus der Perspektive des Burnouts und wie mit ihm umgegangen wird.

Ansatz 1: Es gibt mich doch gar nicht!

Wissen Sie, als Burnout hat man es gar nicht so einfach. Denn es gibt genügend Leute, die nicht glauben, dass ich existiere. Bei mir sind sogar erschreckend viele Ärzte, Psychiater und Psychologen darunter.

Viele meinen sogar, dass ich nur erfunden wurde, um nicht hart genug arbeiten zu wollen oder überhaupt zur Arbeit zu gehen. Ich bin für diese Leute quasi die Ausrede für ein lockeres Leben, ein vorgeschobener Grund. Und ich muss Ihnen sagen: Das ist echt frustrierend, in die gleiche Ecke gestellt zu werden wie Geister, übersinnliche Phänomene oder Phantomschmerzen. Und es ist nicht nur frustrierend für mich, sondern erst recht für die Menschen, die sich entschlossen haben, mich bei sich einziehen zu lassen.

Allerdings habe ich eine kleine Genugtuung: Die Leute, die mich auf der einen Seite verleugnen, laden mich auf der anderen Seite sehr gerne bei sich ein. Ich weiß: Paradox. Ist aber so.

Ansatz 2: Es gibt mich ein bisschen.

Kommen wir mal zum größten Teil der Menschen. Sie glauben zwar, dass ich irgendwie existiere, aber so richtig verstehen können oder wollen sie nicht. Denn sie möchten alles mit Fakten, Beweisen und handfesten Diagnosen belegt haben, was bei einer psychisch beginnenden Krankheit, wie ich es nun halt mal bin, schwer möglich ist.

Da werden offizielle, internationale Krankheitsverzeichnisse gewälzt (für die Experten: ICD-10) und festgestellt, dass es mich als eigenständige Krankheit ja gar nicht gibt. – Ja wirklich! Es gibt mich nämlich lediglich als Zusatzdiagnose. Und was es in diesem Katalog nicht gibt, das kann es somit auch in der Realität nicht geben. Erst recht nicht als eigene Krankheit. Naja. Zum Glück sind da die zumindest die Holländer schon etwas weiter, die mich mittlerweile genauer verstehen und akzeptieren.

Ansatz 3: Man schaut nur ein Teil von mir an.

Oberflächlich betrachtet wirke ich auf viele wie eine Erschöpfung, die man durch etwas Entspannung oder einen Urlaub ausgleichen kann. Das ist in etwa so, als ob ich ein ordinärer Wald-und-Wiesen-Schnupfen wäre, den man mit etwas Tee und Ruhe auskurieren kann.

Doch weit gefehlt! Wenn ich mal richtig da bin, dann hilft auch kein Urlaub mehr. Ich sorge nämlich dafür, dass in der Freizeit die Batterie nicht mehr richtig aufgeladen werden kann.

Sleeping Woman Benjamin CombsDenn was viele nicht verstehen, ist, dass ich sehr komplex bin. Darauf bin ich übrigens stolz. Ich zeige immer mal einen kleinen Teil von mir, da zeigt sich hier ein Symptom, da eins … so klagen Leute über Lustlosigkeit, eingeschränktes Privat- und Gefühlsleben, leichte Depression oder am häufigsten natürlich die Überlastung im Beruf. Genau diese einzelnen Symptome werden dann halt auch behandelt.

Kein Wunder, dass ich so oft mit meiner engen Freundin, der Depression, verwechselt werde. Habe ich die Gelegenheit, mich zum voll ausgewachsenen Burnout zu entwickeln, kommen wir übrigens Hand in Hand. Dann sind wir quasi nicht mehr zu unterscheiden.

Kurz: Wenn man nur meine einzelnen Symptome betrachtet, wird man mich nie verstehen und die zugrundeliegenden Ursachen angehen. Das ist in etwa so, als ob jemand ein Hurrikan anschaut und als Diagnose nur „Wind“ stellt. Dadurch verkennt man die Realität. Und wenn man von einem Burnout nur Teilaspekte betrachtet, dann wird man dem gesamten Phänomen nicht gerecht.

Ansatz 4: Meine Zwillingsschwester „Bore out“ ist da.

Kurz erwähnen will ich natürlich auch meine Zwillingsschwester „Bore Out“. Sie äußert sich dadurch, dass Leute im Job oft gelangweilt sind oder mit ihrem Leben nichts Sinnvolles anfangen können.

Dann heißt es oft „Ich bin so ausgebrannt und habe keine Energie mehr“, aber bei näherem Nachfragen kommt dann heraus, dass die berufliche Frustration extrem hoch ist, in einem anderen Lebensbereich aber die Kraft und Energie da ist, um etwas zu gestalten.

Das würde bei mir, dem echten Burnout, nicht passieren. Wenn ich da bin, dann beanspruche ich alle Energie, die vorhanden ist. Da gibt es keine Reserven mehr, um Privates zu machen oder andere Lebensbereiche zu genießen.

Und was die wenigsten verstehen: Ich komme meist schleichend.

Falls ich beschlossen habe, dass wir uns unbedingt kennen lernen sollten, gibt es einige Aspekte, die ich bevorzuge:

  • Ich komme sehr oft zu Leuten, die kürzlich etwas in ihrem Leben verändert haben. Sei es ein neuer Job, ein neuer Lebenspartner, eine Heirat, Kinder oder ein Umzug in eine neue Wohnung. Ungewohntes und der damit verbundene Stress sind die besten Voraussetzungen, dass ich mich einniste.
  • Ich lasse mir Zeit. Viel Zeit. Wenn ich mich bei jemandem anschleiche, dann ist es ein langer Prozess, der meist weit über 6 Monate oder mehr dauert. Während dieser Zeit beginne ich natürlich langsam die Energieressourcen und die Erholungsbatterie aufzubrauchen. Es ist wie ein simpler Gewöhnungseffekt: Mal etwas mehr arbeiten. Hier mal eine Mittagspause verpasst. Da mal am Wochenende kurz die Mails angeschaut. Das wird dann schnell zur Routine. Und an den Stress gewöhnt man sich auch mit der Zeit.
  • Ich bin mehr ein Prozess anstatt einer plötzlichen Krankheit. Daher geschieht die Veränderung laufend. Am besten erkennt Du mich daran, wenn du über dein Verhalten und deine Sorgen nachdenkst und dabei feststellst, dass sich in letzter Zeit (das können Wochen oder Monate sein), etwas zunehmend verschlechtert. Zum Beispiel, aussagen wie „In letzter Zeit bin ich öfters reizbarer“ sind ein deutliches Zeichen für mich. 
  • Meine Burnout-Symptome sind so vielschichtig, wie unklar. Es kann von Migräne, Nacken und Rückenschmerzen gehen, über häufige Erkältungen und Niedergeschlagenheit, bis hin zu hohem Blutdruck, Gereiztheit und endloser Müdigkeit. Aber da gibt es extrem lange Listen, von denen halt nicht alle Symptome immer greifen müssen. Ich mache mich bei jedem individuell bemerkbar.

Ob ich eine bestimmte Berufsgruppe bevorzuge? Eigentlich nicht. Mal sind es Sachbearbeiter, mal sind es Abteilungsleiter, mal ein Verkäufer. Es kann aber auch eine normale Mutter sein, die Tag ein, Tag aus mit den Kindern, dem Haushalt und dem Ehemann zu kämpfen hat.

 

Rennen Kampf BurnoutIhnen allen ist jedoch gemeinsam, dass sie kämpfen.

Sie kämpfen, um den Stress und die Belastung, die sie derzeit haben, zu bewältigen. Sie kämpfen dabei sehr lange und geben nicht auf. Denn Beharrlichkeit ist eine weitere Tugend, die ich bei den Menschen liebe. Da ist der Perfektionismus nicht zu weit entfernt.

Und der Weg heraus?

Der Weg Heraus ist sowohl einfach, als auch schwer. Ein Widerspruch?

Es ist schwer, dass sich die meisten Menschen sich nicht eingestehen, dass sie kämpfen. Und das ist gar nicht mal als Vorwurf gedacht. Sie sehen es meist selbst gar nicht mehr oder nehmen es gar nicht war. Denn es funktioniert ja irgendwie schon so lange.

Es wäre einfach, da alles, was sie „nur“ tun müssten, eine Verhaltensänderung wäre. Entweder durch sich selbst initiiert oder begleitet durch einen Experten, einen Arzt oder einem Therapeuten.

Doch die Anführungszeichen bei „nur“ sind bewusst gewählt. Denn Verhaltensänderungen setzen voraus, dass man a) eine Veränderung will und b) diese auch durchführt. Und wie man z.B. bei den Themen Rauchen, Ernährung oder Alkohol sieht, kann das für einige Leute sehr schwer werden. Aber viele spielen lieber so lange mit dem Feuer am Abgrund ihrer Gesundheit, bis sie sich die Finger verbrannt haben.

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